Head & Shoulder
Kampagne für ein Antischuppen-Shampoo. Kein schönes Thema, aber ein guter Grund in der Werbung mal nichts Schönes zu zeigen. Eine meiner Lieblingskampagnen, weil sie ein gelungenes Beispiel dafür ist, wie Text und Bild auf ganz unterschiedlichen Ebenen zusammen arbeiten können. Der Text unten ist eine Auszug aus einem Vortrag an der Fachhochschule Mainz zum Thema Bilder und Worte.


Das Bild stellt einen bizarren Moment dar, den sich jeder vorstellen kann, auch wenn ihn so kaum jemand erlebt haben dürfte. Im frittierten Hühner-Fastfood steckt ein lebendiges Küken. Der Text bezieht sich auf diesen Schreckensmoment, allerdings mit einer neuen Perspektive. Er fügt ihm eine allgemeinere Bedeutung hinzu. „Es gibt Dinge, die wird Dein Kopf nicht so leicht los wie Schuppen.“ Beide, Text und Bild meinen auf unterschiedliche Weise das Gleiche. Neben die emotionale, anschauliche Darstellung tritt die rationale, sprachliche Fassung. Bild und Text sind nicht deckungsgleich, aber verwandt, beide haben den selben Ursprung. Der Text handelt von einem Bild, das Bild ist auch eine Geschichte. Es ist ganz und gar literarisch aufgebaut. Vergleichbar der sogenannten personalen Erzählsituation: Wir sind nah an der Protagonistin und erleben mit, was sie erlebt, ohne den gesamten Kontext zu verstehen. Diese Perspektive kreiert Spannung, wir wissen nicht, was als nächstes passiert, ein Moment der Ratlosigkeit, des Innehaltens, den wir teilen und zur Orientierung nutzen. Wir können die Gedanken des Mädchens fast mit Händen greifen, den Unglauben, den Ekel. Das Bild wird gelesen wie ein Text. Zeit vergeht bis wir die Anzeige überblicken und verstehen. Der Text dagegen ist nicht nur ein Teil des Bildes, er hat auch visuelle Qualitäten. Die Worte bewegen sich als Gedankenwölkchen von der Bildmitte weg nach rechts unten, fliegen aus dem Kopf hinaus, visualisieren das was sie sagen: Es gibt Dinge, die wird Dein Kopf nicht so leicht los wie Schuppen.


Ein anderes Bild, andere Situation, andere Protagonisten, der gleiche Satz. Klar, gleiche Idee, aber was ist die Idee? Was ist überhaupt eine Idee? Der Kopf, der etwas los wird. Einmal ganz real - Schuppen los werden, einmal Sprachbild, Metapher. Die Sprache hat diese Fähigkeit, Bilder nicht nur zu erzeugen, sondern sie zu nutzen, mit ihnen zu spielen, um Dinge zu beschreiben, für die man auch eine ganze Bibliothek durcharbeiten könnte. In diesem Fall Abteilung Psychologie: Wie wird ein Kopf Dinge los oder nicht los, warum soll und will er das, wie sind sie überhaupt hineingekommen und was sind diese Dinge. Fragen, die das Sprachbild im Bruchteil einer Sekunde erledigt. Das ist effiziente Kommunikation und das ist die Idee dieser Kampagne. Die Dinge ändern sich, der Satz bleibt und immer ist der Kopf im Zentrum des Bildes. Von hinten gezeigt, damit die Haare zu sehen sind. Die Idee dramatisiert, was das Produkt kann: schöne Haare, ohne Schuppen.


Wenn Werbung analysiert wird, beschleicht einen leicht das Gefühl, alles postrationalisiert, das war einfach eine coole Idee und jetzt ist das Ganze angeblich durchdacht und geplant. Stimmt und stimmt nicht. Diese Arbeit entstand im Lauf von mehreren Wochen sogar Monaten in Zusammenarbeit mit einem Team in der Agentur, einem Texter, einem Art Direktor und dem Illustrator. Der Satz wurde mehrfach geändert, der Illustrator ausgewechselt, die Motive ausgetauscht. Unablässig wurde über Bild und Text nachgedacht, mit Bild und Text gespielt, bis klar war, was die Idee wirklich ist. Merkwürdigerweise hat sie das alles mitgemacht und jenseits aller theoretischen und praktischen Erwägungen haben wir immer intuitiv ihre Kraft gespürt. Genau darum geht es, um das Oszillieren zwischen Sprache und Intuition. Bilder gewinnen Klarheit durch Übersetzung in Text, Texte brauchen Bilder, einen Gegenstand, Realität, sie müssen von etwas handeln, sonst sind sie flach und leer. Bild und Text haben eine tiefe innere Verwandtschaft, aber sie sind nie identisch. Die häufigste und alltäglichste Forderung in der Kommunikationsbranche - "sag mir, was die Idee ist" - muss immer wieder beantwortet werden, auch wenn das prinzipiell unmöglich ist, weil es prinzipiell unmöglich ist, aus einer guten Idee etwas anderes zu machen, als sie selbst.